Eindrücke, Trends und Insights vom IFC – und mein Liebling „Phil the Bag“

27. Oktober 2022

Nach zwei Jahren coronabedingter Pause feierte der International Fundraising Congress IFC vom 18. bis 21. Oktober 2022 sein Comeback. Im niederländischen Noordwijk wurde uns Fundraiser:innen ein dreitägiges Programm voller Masterclasses und Workshops angeboten.

Ein paar spannende Insights gibt’s am Ende dieses Blogbeitrages. Falls du also nicht alles lesen magst – zum Ende scrollen lohnt sich auf jeden Fall.

Zurück zum Thema: Das 40-Jahr-Jubiläum des IFC nahm die Organisatorin «Ressource Alliance» zum Anlass für einen kurzen Blick zurück: Was hat die vergangenen vier Jahrzehnte geprägt. Kurz und auf den Punkt gebracht: vor allem stete Veränderung – oder neudeutsch «Change».  Eine nicht weiter erstaunliche Erkenntnis. Aber wodurch könnten die kommenden vierzig Jahre geprägt sein (abgesehen von weiteren Veränderungen)?

Genau darum ging es in der dynamischen und innovativen Einstiegsession, die ganz unter dem Stern des diesjährigen Mottos stand: «Shaping the future together». Im Gegensatz zu den Vorjahren war das Motto im weiteren Verlauf des IFC allerdings nicht stringent in allen Sessions vertreten, sondern fristete eher ein Dasein am Rande. Hingegen waren Multigenerational Content, Targeting und Philantrophy wiederkehrende Themen am Kongress. Aus verschiedenen Blickwinkeln wurde der Frage nachgegangen: «Wie können wir durch optimierte Datenanalysen und die Bildung von psychologischen Clustern  unsere Zielgruppen besser erreichen, stärker zum Spenden motivieren und sie mit bedürfnisorientierterem Content mehr binden und erfreuen?»

 

Daten und Analysen für besseres Targeting

Der Beitrag «Social Data Intelligence» beeindruckte zum Beispiel mit vielen Insights zu Targeting und Datenanalysen. Zudem wurden darin spannende Tools vorgestellt, darunter eines das Nutzer:innenkommentare (user generated content) analysiert. Darauf basierend lässt sich das Targeting schärfen und der eigene Content bedürfnisorientiert ausrichten.

Im Vortrag zu «Nudging» wurde uns Fundraiser:innen ebenfalls die stärkere Nutzung von Daten nahegelegt, um besser zu selektieren, die richtigen Ankerwerte zu setzen und kreativere projektbezogene Kampagnen zu starten. Und wir wurden dazu motiviert, von althergebrachten Kampagnen mit den üblichen Absendern (Geschäftsführung, Vorstände usw.) abzusehen und mehr im Sinne unserer Spender:innen zu kommunizieren: Was will ein:e Spendender:in abends nach der Arbeit von uns hören und sehen?

 

Phil the Bag – mein persönliches Highlight

Ich persönlich war hin und weg von «Phil the Bag» von «The Foodbank of Waterloo Region» in Australien. Phil ist eine im Comic-Stil gezeichnete Einkaufstasche, die die Stories der Organisation erzählt und zum Spenden aufruft. Er spricht zu den Spendenden in einer witzigen, warmherzigen, authentischen und frischen Art. Phil ist vor allem persönlich und nah.

Übers Jahr verändert er ständig seinen Look. Aktuell (Oktober) ist er zum Beispiel als Halloween-Phil unterwegs. Danach schon bald als Weihnachts-Phil.

Phil the Bag - so geht Storytelling

Phil wird als Protagonist der NPO ernst genommen. Er erhält zahlreiche an ihn adressierte Briefe. Damit ist Phil ein herzerfrischendes Beispiel dafür, dass unsere Spendenden (entschuldigt liebe Vorstände und Geschäftsführerinnen) in crossmedialen Kampagnen lieber von projektnahen Personen, Rettungshunden oder eben fiktiven Charaktern angesprochen werden wollen.

Kurz: Der Mut Neues auszuprobieren in Kombination mit belastbaren Daten und den wissenschaftlich erwiesenen Effekten des Nudging bieten einen mächtigen Hebel – und garantieren mehrstellige Wachstumsraten im Fundraising.

 

Über Positives und Optimierbares

Das Programm war insgesamt sehr interessant und durch meist angelsächsische Speaker:innen geprägt.  Die allgemein gute Stimmung und die grossartige Party «roaring twenties» taten ihr übriges und so war die Konferenz fröhlich, offen und informativ.

Ein wenig bedauernswert war, dass nicht klar wurde, wie die Ressource Alliance mit den Themen Membership, Einbindung der Ehrenamtlichen und den länderbezogenen Ambassadors umgehen möchte.

Das Vorhaben der Ressource Alliance, den IFC erstmals als hybride Veranstaltung durchzuführen, ging nicht ganz auf. Die Sessions wurden zwar auch digital angeboten und gefilmt. Die online Zuschauenden konnten aber nicht zeitgleich zu den offline Teilnehmenden interagieren und kommunizieren, wie das beispielsweise seit zwei Jahren beim Online Fundraising Forum der Fall ist. Hier wäre noch ein wenig Investition und Ausbau wünschenswert, um eine echt hybride Veranstaltung anzubieten.

Der Kongress fühlte sich für alte Hasen, die bereits mehrmals dabei waren, vertraut und «wie immer» an. Dazu kamen klare Vibes, in der Zukunft datengetriebener und digitaler zu werden.

 

Zu guter Letzt: Vier spannende Insights vom IFC

 

Die Neun-Generationen-Welt

Zurzeit leben wir in einer Welt mit neun Generationen – so viele, wie es nie zuvor gegeben hat. Uns Fundraiser:innen macht dies das Leben nicht einfacher, das jede Generation unterschiedliche Bedürfnisse und Motivationen hat. Zumal sich diese nicht scharf voneinander abgrenzen.

 

Psychologie schlägt harte Daten

NPOs steuern Kampagnen meist basierend auf «harten» Daten wie zum Beispiel dem Alter, bisherigen Spenden oder ähnlichem. Die Steuerung nach psychologischen Gesichtspunkten wie Verhalten und Motivation ist selten – aber unterschiedliche Cases haben gezeigt, dass solche Kampagnen erfolgreicher sind.

 

Digitales Fernsehen im Aufwind

Es wird wieder mehr TV geschaut. Zum Beispiel 2020 plus 35% in Italien oder plus 27% in Frankreich. Allerdings verlieren konventionelle Kanäle mit einem fixen Programmangebot an Wichtigkeit. Wir wollen schauen, was uns interessiert, wann wir dazu Lust haben: In den USA hat die Zeit, die Menschen auf YouTube verbringen, um 90% zugenommen.

Uns Fundraiser:innen bietet das digitale Fernsehen mächtige Instrumente, um mit unseren Zielgruppen in Kontakt zu treten. Samba TV ist ein schönes Beispiel. Diese neue Technologie erlaubt es, Personen in Echtzeit Werbung auszuspielen, darauf basierend, was sie gerade schauen. Ebenfalls gut zu wissen: Ab November lässt Netflix Werbung zu.

Es lohnt sich also in Mediaplänen sowohl klassisches TV als auch digitales TV miteinzubeziehen. Oder du kommst ganz weg vom klassischen TV und wechselst auf Kampagnen im digitalen TV, kombiniert mit Programmatic und Social Ads – dein Reichweitengewinn ist bis zu 200%.

 

Nudging, Priming und Anchoring

Wie bringt man Menschen dazu, das zu tun, was wir uns von ihnen wünschen? Mit einem leichten Stups (engl. Nudge), indem man Anker setzt oder Priming anwendet. Hier ein paar Inputs dazu:

  • Menschen mögen Abkürzungen – deshalb mach Ihnen das Spenden super einfach.
  • Biete Wahlmöglichkeiten – aber maximal drei.
  • Bei mehreren Wahlmöglichkeiten entscheiden wir uns oft für die mittlere. Wenn du also drei vorgegebene Spendenbeträge vorschlägst, achte darauf, dass dein Favorit in der Mitte ist. Und natürlich auch darauf, dass der Betrag links niedriger und der Betrag rechts höher ist.
  • Schreibe persönlich und authentisch – und gerne auch länger. Studien haben gezeigt, dass längere Briefe besser funktionieren als kurze.
  • Erkläre klar, was gebraucht wird und wozu.
  • Setze Anker: «Wenn alle, die diesen Brief lesen 35 Franken spenden, erreichen wir das Spendenziel von 198000 Franken.»
  • Beziehe die Leser:innen mit ein: «Ja, Lena, ich helfe dir dabei, xy zu kaufen.»
  • Bestens bekannt, aber funktioniert immer noch: Verschenke eine Kleinigkeit, um mehr Spenden zu generieren. Wenn wir etwas erhalten, sind wir offener dafür, etwas zurückzugeben.
Want to get updates to your mailbox? 📬

Subscribe to our newsletter!

x